Rede des Stadtverordneten Jens-Friedrich Schneider zu Antrag NR 884 (Silvester-Angriffe auf Feuerwehren,Rettungskräfte und Polizei) der AfD-Fraktion im Römer

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,
sehr geehrte Stadtverordnete!

Wenn es in Frankfurt irgendwo brennt, kommt nach zehn Minuten die Feuerwehr und macht dann vielleicht einen taktischen Rückzug. Silvester ist jetzt fast drei Monate her, und Gras wächst über die Sache. Doch das Thema ist zu ernst, um sich einmal kurz zu empören und dann wieder zur Katzenschutzverordnung überzugehen.

Zur Erinnerung an Silvester: Zunächst wurde in der Presse das Bild einer überschaubaren Frankfurter Silvesternacht vermittelt. Dann kam heraus: Die Anzahl der Einsätze zwischen Mitternacht und zwei Uhr stieg um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr an. Die Feuerwehr wurde angegriffen. Die Ordnungsdezernentin spricht von einer neuen Qualität der Gewalt. Ein Feuerwehrmann wurde so schwer verletzt, dass er erst nach einem Monat wieder den Dienst antreten konnte. Im Ausschuss für Personal, Sicherheit und Digitalisierung war zu hören: „Entsprechende Angriffe sind trauriger Alltag“ und „sie machen den Beruf zusätzlich gefährlich und verschärfen die ohnehin angespannte Personalsituation“, so die Ordnungsdezernentin beziehungsweise der Branddirektor. „Die Ausschussmitglieder zeigten sich schockiert“, war in der Presse zu lesen. Das scheint es aber gewesen zu sein. Gegenmaßnahmen: Fehlanzeige. Ist seitdem irgendetwas geschehen? Wurde irgendein Konzept, eine Strategie oder nur ein Ansatz entwickelt, um dem Problem zu begegnen? Nein. Und wohl auch deshalb nicht, weil das Problem viel tiefer liegt.

Dass Leute, besonders junge Männer, Regeln brechen, hat es immer gegeben. Manchmal waren auch Einsätze von Rettungskräften die Folge. Angriffe auf Rettungskräfte kennt man dagegen erst seit wenigen Jahren.

(Beifall)

Aus welchem Grund greifen die Täter Rettungskräfte an? Die Frage ist unangenehm. Sie ahnen, dass die Antwort Dinge offenlegt, mit denen man sich ungern auseinandersetzen möchte. Mit dem Angriff auf Einsatzkräfte, Repräsentanten des Staates, wird diesem Staat, also uns, zu verstehen gegeben: Ihr habt hier nichts zu melden, nichts zu ordnen und auch nicht mit Tamtam hier einzurollen und die großen Retter zu markieren. Hier haben wir das Sagen.

Der Tabubruch des Angriffs auf Retter geht einher mit dem Tabubruch der Ablehnung unseres Staates, unserer Werte und unseres Anspruchs, diese durchzusetzen. Hier werden Risse in der Gesellschaft sichtbar. Und besonders unangenehm ist dabei für ganz viele: Diese Risse lassen sich nicht kitten, indem alle ganz fest gegen die AfD zusammenstehen. Hier sind andere Kräfte am Werk.

(Beifall)

Man wird sich entscheiden müssen, ob man vor diesen Kräften einknickt. Die Machtprobe werden sie jedenfalls wieder stellen. Einknicken bedeutet, dass Frankfurt, zumindest zeitweise, No-go-Areas für Rettungskräfte akzeptiert. Einknicken bedeutet, dass man den Frankfurtern ein Stück Sicherheit nimmt und die Arbeit der Rettungskräfte noch gefährlicher macht. Und es bedeutet, dass die Arbeit als Rettungskraft unattraktiver wird. Einknicken bedeutet, dass man Risse in der Gesellschaft akzeptiert, dass man den Tabubruch der Ablehnung dieses Staates und seiner Werte akzeptiert.

Leider sind solche Angriffe schon trauriger Alltag, ist zu hören. Das klingt nicht sehr kämpferisch, eher resigniert. Zur Silvesterzeit wurden neuerdings gern Böllerverbote diskutiert. Da mag es einigen wirklich um verängstigte Haustiere und Feinstaub gehen, es ist aber sicher auch ein Versuch, sich dem Problem zu entziehen. Denn es ist wohl leichter, allen mit einer unehrlichen Begründung eine Tradition zu verbieten, anstatt es mit Angreifern auf Rettungskräfte aufzunehmen. Ich sage: Schluss mit solcher Rückgratlosigkeit, Schluss mit der Verharmloserei! Angriffe auf Rettungskräfte sind ein Angriff auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gehen Sie das Problem so beherzt an, wie Sie es auch sonst tun, wenn Sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Gefahr sehen!

Vielen Dank!

(Beifall)