Rede des Stadtverordneten Willy Klinger zur Magistratsvorlage M83 (Ausstellung von Mietübernahmegarantien an die Konversions- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH (KEG) für den Betrieb eines Suchthilfezentrums in der Niddastraße 76)
Sehr geehrte Frau Vorsteherin,
sehr geehrte Damen und Herren!
Die Debatte über dieses Suchthilfezentrum zieht sich jetzt ja schon über Monate hin und auch in mehreren Ausschüssen wurde es natürlich schon debattiert und zu dem Thema gesprochen. Ich glaube, allein daran sieht man, dass das Suchthilfezentrum eben nicht so gut sein kann, wie das die Koalition zu Beginn der Debatte noch zu suggerieren versuchte. Wir sind jetzt sogar schon so weit gekommen, dass das Thema die Koalition mittlerweile zu sprengen droht. Und die FDP bleibt gegenüber dem Suchthilfezentrum kritisch, das haben wir gehört, und zwar auch zu Recht, meine Damen und Herren.
Vor allem in der Bürgerschaft aber regt sich erheblicher Widerstand gegen das Zentrum. Von Bürgerinitiativen über selbst in Auftrag gegebene Rechtsgutachten bis hin zu geradezu verzweifelten Anwohner-E-Mails war wirklich alles dabei. Und faszinierend finde ich hierbei, dass scheinbar niemand das Suchthilfezentrum wirklich möchte, außer natürlich die linke politische Blase. Und wie auch schon bei der Verkehrswende, werden alle Bedenken der Bürger und Anwohner einfach so weggewischt. Was hier an die Oberfläche kommt, ist, dass man immer glaubt, alles besser zu wissen als diejenigen, die vor Ort die Konsequenzen der Entscheidungen tragen müssen …
(Beifall)
… und dass man glaubt, man braucht nur mehr Geld, mehr Einrichtungen, mehr Sozialarbeiter, dann lösen sich die Probleme schon irgendwann von selbst. Und wenn dann alles irgendwann und irgendwie wieder gut geworden ist, dann werden die Leute schon sehen, dass die Politik es von Anfang an besser wusste.
Meine Damen und Herren, diesen Widerstand in der Bevölkerung nicht ernst zu nehmen, ist meiner Ansicht nach grob fahrlässig. Die FDP scheint dies zumindest verstanden zu haben. Aus ideologischer Überzeugung einfach so über den Bürger hinweg zu regieren, das funktioniert nicht und das wird es auch diesmal nicht, meine Damen und Herren.
(Beifall)
Obendrein bleibt zu befürchten, dass der Drogentourismus hier weiter angeheizt wird. Natürlich, das muss man auch der Ehrlichkeit halber sagen, ist das erste Problem das Angebot an Drogen im Bahnhofsviertel. Aber ich sage hier auch, dieses Angebot ist nicht ausgerechnet im Bahnhofsviertel so sehr konzentriert, weil es eben das Frankfurter Bahnhofsviertel ist. Die vielschichtigen Möglichkeiten des sicheren Konsums spielen hier sicherlich auch eine große Rolle und ziehen sowohl Konsumenten als auch Dealer an. Jetzt dachte ich eigentlich, dass wir uns hier zumindest mal als Minimalkonsens darauf einigen können, dass nur noch Frankfurter in den bestehenden und zukünftigen Einrichtungen zugelassen werden sollen.
(Zurufe)
Denn für Frankfurter machen wir schließlich hier Politik.
(Beifall)
Das wäre zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, um eben zumindest auch mal Druck aufzubauen auf andere Kommunen, damit auch dort Hilfseinrichtungen aufgebaut werden. Anders geht es nämlich nicht. Aber nicht mal diese kleine Einschränkung in der allgemeinen Rundumversorgung scheint konsensfähig zu sein. Die hier von linker Seite entsprechend eingebrachten Anträge oder auch die Diskussionen im Sozialausschuss, die ich miterleben durfte, lassen darauf schließen, dass große Teile der Koalition nicht mal zu dieser kleinen Maßnahme bereit sind. Da ist es auch egal, ob das der Stadt dann Schaden zufügen wird oder nicht. Denn nicht Gott und die ganze Welt vor der eigenen Haustür versorgen zu wollen, ist eben, wie immer, unmenschlich, unsolidarisch, geradezu monströs, ist klar. Und da tut mir auch der Oberbürgermeister ein bisschen leid, der hier jedes Mal gebasht wird und immer wieder ein bisschen was dafür draufbekommt, dass er was Sinnvolles gefordert hat.
Aber auch die Koalition hat ja jetzt einen Hierzu-Antrag eingereicht, den Antrag NR 1291. Da steht von dem Thema wieder nichts drin, ist klar, aber das war auch nicht zu erwarten. Man muss aber sagen, tatsächlich stehen da auch ein paar sinnvolle Dinge zur Drogenpolitik im Bahnhofsviertel drin, zum Beispiel so etwas wie mehr Präsenz von Sicherheitskräften, mehr Ahndungen von Sauberkeitsverstößen – eine gute Sache -, mehr repressive Maßnahmen gegen den Drogenhandel – hört, hört, dafür habe ich mich übrigens vor ein paar Sitzungen auch noch ausgesprochen -, Einsatz seitens der Landesregierung für Einrichtungen in anderen Kommunen – auch dazu hatte ich mich positiv geäußert. Maßnahmen im Bahnhofsviertel kontinuierlich auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, finde ich auch sehr sinnvoll. Oder hier zum Beispiel, das möchte ich kurz vorlesen: „Wir fordern einen finanziellen Beitrag des Landes angesichts der Tatsache, dass sich bisher alle vier Drogenkonsumräume Hessens in Frankfurt befinden und von der Stadt Frankfurt finanziert werden.“ Dass Frankfurt nicht die ganze Last alleine schultern sollte, habe ich noch in meiner Rede im April ebenfalls gefordert. Es ist sehr schön, festzustellen, dass die Koalition hier Einsicht zeigt, meine Damen und Herren.
(Beifall)
Gut, dazu muss man auch sagen, die Stadtverordnetenversammlung kann zwar nicht beschließen, was das Land Hessen zu machen hat, aber sei es drum. Trotz dieser großen Mängel im Antragstenor stimmen wir der Vorlage NR 1291 zu, meine Damen und Herren. Es gibt da nur ein Problem – Herr Kollege Pfeiffer hat schon darauf hingewiesen -, das scheinbar niemandem aufgefallen ist oder vielleicht doch: Das alles in diesem Antrag hat mit dem Suchthilfezentrum überhaupt nichts zu tun. Und obendrein befindet sich die Niddastraße 76 im Gallus und nicht im Bahnhofsviertel, das hat man auch übersehen. Man versucht hier offenbar, noch ein bisschen von der ganzen Kontroverse um diese M 83 abzulenken und Einigkeit zu demonstrieren, wo überhaupt keine mehr da ist. Jetzt kann die FDP wenigstens diesem relativ unkontroversen Maßnahmenkatalog zustimmen, das ist ja auch schon was.
Meine Damen und Herren, statt mehr Geld für ein Suchthilfezentrum auszugeben, das eigentlich fast niemand will und das dem eigentlichen Problem, nämlich der Verfügbarkeit von Drogen in Frankfurt, nichts entgegensetzt, wird es Zeit für eine Zäsur des Frankfurter Weges. Viele wollen ihn weiterentwickeln, weil man ihn scheinbar lieb gewonnen hat, diesen Frankfurter Weg. Klingt ja auch nett, keine Frage, und er hat vielleicht in der Vergangenheit auch einmal funktioniert. Aber, meine Damen und Herren, jeder Weg geht auch irgendwann einmal zu Ende. Weiter geht es nur noch gemeinsam mit dem Land Hessen und den anderen Kommunen. Wir in Frankfurt brauchen, denke ich, einen anderen Fokus, nämlich den Fokus auf Repression und Austrocknung des Drogenmarktes als alleroberstes Ziel.
(Beifall)
Und wenn schon sicher konsumiert werden soll – mit Drugchecking und allem anderen, was dazugehört -, meinetwegen, dann muss das aber immer auch an eine erfolgreiche Therapie geknüpft sein, an eine Abkehr von der Sucht oder, mit anderen Worten, an einen echten Erfolg. Sonst macht der sichere Konsum in einer Einrichtung nämlich überhaupt keinen Sinn, meine Damen und Herren. An diesem Erfolg müssen auch die Hilfsangebote hier in Frankfurt gemessen werden und an keinem anderen. Selbst wenn Zigtausende Drogenkranke die Frankfurter Einrichtungen nutzen, spielt das im Endeffekt gar keine Rolle, wenn niemand von seiner Sucht wegkommt. Und wenn dieser Erfolg ausbleibt, dann muss halt irgendwann auch mal Schluss sein mit dem einen oder anderen Angebot. Ansonsten bleiben wir bei der Elendsverwaltung und das will sicherlich hier niemand. Deswegen finden wir auch die Forderung aus dem Antrag NR 1291 nach einer kontinuierlichen Wirksamkeitskontrolle der Maßnahmen im Bahnhofsviertel so sinnvoll. Meine Damen und Herren, Sie können sich sicher sein, daran werden wir Sie in der Zukunft messen.
Vielen Dank!
(Beifall)