Herr Vorsteher,

meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Koalition hat den Antrag NR 91 eingebracht und damit Neuland betreten. Fluglärm ist für Sie bisher kein Thema gewesen. Ich glaube, in den letzten zehn Jahren haben Sie bestenfalls eine Handvoll Anträge zu diesem Thema gestellt.

(Zurufe)

Ich will jetzt auf die Einzelheiten eingehen. Man kann das auch an dem Inhalt sehen, der Zeugnis davon ablegt, dass Sie vom Thema überhaupt keine Ahnung haben. Da ist zum Beispiel zu lesen, dass Sie einen Beitrag zur weiteren Verringerung des Fluglärms leisten wollen. Offensichtlich ist Ihnen entgangen, dass es bislang keine Verringerung gab. Es ist bislang immer lauter geworden. Von einer bisherigen Verringerung kann überhaupt keine Rede sein, und das gilt für die letzten 20 Jahre.

 

 

Dann hat der Oberbürgermeister eine Stabsstelle Fluglärm eingerichtet. Das ist zunächst einmal zu begrüßen. Man stellt sich natürlich die Frage, warum er das nicht früher gemacht hat. Er ist seit vier Jahren im Amt und er hätte das seit vier Jahren machen können. Offensichtlich interessiert ihn das Thema nicht besonders beziehungsweise nur dann, wenn es auf den Wahlkampf zugeht und wenn er diese Stabsstelle als Munition für seinen kommenden Wahlkampf benötigt. Wie sehr ihn das Thema Flughafen-Fraport interessiert, konnte jeder besichtigen, der bei der diesjährigen Hauptversammlung der Fraport AG war, wo der Oberbürgermeister als Aufsichtsratsmitglied nicht anwesend war, mit der Begründung, weil er andere Verpflichtungen hatte, Stichwort, er hat die Straßenbahn zum Wäldchestag gefahren.

 

Weiterhin liest man in dem Antrag, das hatten Sie auch gerade erwähnt, Herr Podstatny, über die Lärmsituation sollte durch eine eigenständige Lärmmessstation berichtet werden. Also, die Lärmsituation können Sie mit einer einzigen Station nicht bewerten. Dazu brauchen Sie alleine in Frankfurt mindestens zehn, besser 20 Stationen. Ich weiß auch nicht, was diese Lärmstation soll. Vielleicht ist es Ihnen entgangen, es gibt bereits seit über 50 Jahren Lärmmessungen. Die Fraport betreibt etwa 30 Lärmmessstationen, der Deutsche Fluglärmdienst 150 Lärmmessstationen, aber natürlich nicht alle in Frankfurt. Also 180 Lärmmessstationen, deren Ergebnisse auch von niemandem angezweifelt werden. Es gibt also überhaupt keinen Grund zu sagen, wir messen jetzt, weil wir den Ergebnissen anderer nicht trauen. Die Ergebnisse vom DFLD werden noch nicht einmal von Fraport bezweifelt und umgekehrt auch nicht. Die Stadt Frankfurt hat übrigens eigene Lärmmessstationen seit dem Jahr 2007. Das war vor Ihrer Zeit, deswegen haben Sie das nicht mitbekommen. Also wozu jetzt noch eine Station, das kann doch nur die Funktion haben, den Wählern oder den Bürgern vorzutäuschen, Sie würden irgendetwas machen, was etwas bringt.

 

Dann hatten Sie auch richtig erwähnt, dass in Ihrem Antrag steht, dass Sie eine weitere Verlagerung von der Kurzstrecke auf die Schiene wollen. Das ist ein guter Ansatz, die Idee haben aber schon andere gehabt. Zum Beispiel habe ich mehrfach Anträge gestellt, zuletzt am 10. August 2015 mit dem Antrag NR 1263, am 19. November 2015 abgelehnt von der CDU und den GRÜNEN. Einen identischen Antrag, wie Sie ihn hier stellen. Dann schreiben Sie in ihrem Antrag: „Das Land soll in seinen Bemühungen zur Lärmreduzierung unterstützt werden.“ Dann sollte man sich auch einmal die Bemühungen des Landes anschauen. In dem Koalitionsvertrag des Landes steht: „Es soll eine Lärmreduzierung gegenüber den im Planfeststellungsbeschluss prognostizierten Werten geben“, also gegenüber prognostizierten Werten. In Ihrem Koalitionsvertrag steht gegenüber den Ist‑Werten. Für diejenigen, die die Zahlen nicht im Kopf haben, das ist ein Unterschied von 240.000 Flugbewegungen. Sprich, die hessische Landesregierung hat als Referenzwert einen Lärmpegel, wie er bei 700.000 Flugbewegungen entsteht, genommen. Sie haben in ihrem Koalitionsvertrag einen Referenzwert von 460.000 Flugbewegungen genommen. Das ist ein knalliger Unterschied. Es ist eine völlig andere Situation, ob Sie von der Ist-Situation, die wie Frau auf der Heide völlig richtig gesagt hat, für die Bevölkerung bereits unerträglich ist, also ob Sie von der Ist-Situation reduzieren oder ob Sie von einer Prognose, die quasi 50 Prozent von dem, was wir heute noch zusätzlich haben, runtergehen. Die praktische Konsequenz ist die, wenn man Ihren Koalitionsvertrag umsetzen will, muss man tatsächlich vom heutigen Level ausgehen, die Zahl der Flugbewegungen reduzieren, sprich es darf keine Steigerung mehr geben.

 

Das hat ganz erhebliche Konsequenzen. Wenn man von der Vorstellung des Landes ausgeht, also von den 700.000 Flugbewegungen, dann kann man ausgehend von heute, durchaus noch wesentlich mehr. Eine Steigerung ist da drin, sie darf halt nicht ganz 700.000 erreichen. Das ist ein knalliger Unterschied. Sie gehen also von völlig unterschiedlichen Zielvorstellungen aus.

 

Man sollte sich an dieser Stelle auch die Frage stellen, wie es zu diesem Unterschied kommt. Warum hat die Landesregierung eine völlig andere Vorstellung von dem, was sie machen will oder was sie unter Lärmreduzierung versteht, als Ihre Koalition. Die einzige sinnvolle Erklärung ist die, irgendjemand hat diesen Passus in den Koalitionsvertrag geschrieben und keiner von Ihnen hat es gemerkt. Von Ihnen, Herr Podstatny, hätte ich erwartet, dass Sie darüber stolpern, von Herrn Lange eher nicht. Herr Heuser wäre mit Sicherheit darüber gestolpert, aber das ist Ihnen schlicht und einfach durch die Lappen gegangen. Sie haben gar nicht gemerkt, was in diesem Satz drinnen steht. Sie haben die Brisanz dieses Satzes nicht erkannt und Sie werden die nächsten fünf Jahre genau an dieser Zielvorstellung gemessen werden.

 

Dann schreiben Sie, Sie wollen die wirtschaftliche Stärke und die Lärmreduzierungen in Einklang bringen. Dazu muss man sich fragen, was ist denn wirtschaftliche Stärke. Bisher wurde darunter immer verstanden, dass die Zahl der Flugbewegungen zunimmt. Das ist aber mit einer Lärmreduzierung schlicht und einfach nicht in Einklang zu bringen. Man kann wirtschaftliche Stärke auch anders definieren. Man kann einfach sagen, der Flughafen muss so betrieben werden, dass er nachfragegerecht betrieben wird. Das heißt, die Mobilitätsbedürfnisse befriedigen, die hier in der Region entstehen, aber die Hub‑Funktion aufgeben, das ist genau das Ziel, das wir seit 20 Jahren verfolgen, das Sie mittlerweile offensichtlich auch verfolgen; jedenfalls mit Ihrem Koalitionsvertrag. Das bedeutet aber auch, dass das Terminal 3 überflüssig ist und dass letztlich ein Rückbau der Nordwestbahn erforderlich ist oder zumindest eine Stilllegung.

 

Jetzt sind wir wieder beim Wirtschaftlichen: Damit machen Sie eine Schadensbegrenzung, denn diese Investitionen, die jetzt getätigt wurden, und die geplanten Investitionen für das Terminal 3, ich meine, es sind zwei Milliarden Euro, werden sich in keinem Fall rechnen. Dann sagten Sie, es ist Deutschlands größte Arbeitsstätte. Das ist Fraport-Propaganda. Der Flughafen ist überhaupt keine Arbeitsstätte, er hat auch nicht 80.000 Beschäftigte, sondern vielleicht 50.000 oder 60.000, weil Sie das fliegende Personal hineingerechnet haben, aber es gehört dort eigentlich nicht hinein.

 

Wenn Sie darauf ansprechen, dass die Zahl der Beschäftigten zugenommen hat, ist das sicherlich richtig. Aber dann müssen Sie auch fragen, warum das so ist. Hat das etwas mit der Produktivität zu tun? Es hat zum großen Teil damit zu tun, dass sich die Bedrohungslage geändert hat, dass sie schlicht und einfach mehr Security-Leute, Polizei- und Zollbeamte brauchen. Ich kenne noch Flughäfen, auf denen man ohne jedes Security‑Personal – das ist lange her, viele Jahrzehnte – ins Flugzeug einsteigen konnte. Das wäre heute natürlich undenkbar. Im Gegensatz dazu geht unser Antrag in die Richtung Ihres Koalitionsvertrages, er will genau das umsetzen, was Sie wollen, nämlich eine Reduzierung der Lärmbelastung, ausgehend vom heutigen Niveau. Das ist die exakte Umsetzung Ihres Koalitionsvertrages, aber nicht Ihr Antrag, in dem eigentlich keinerlei Substanz enthalten ist. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.

 

Vielen Dank!

 

(Beifall)