Rede des Stadtverordneten Markus Fuchs zum Antrag der Kommunalen Ausländervertretung K 74 zur Umbenennung der Frankfurter Mohren-Apotheken.
Den Audio-Mitschnitt der Rede finden Sie am Ende des Textes, sowie hier.
Sehr geehrter Vorsteher,
meine Damen und Herren!
Lieber Herr zu Löwenstein, einmal vorweg: Würden Sie eine Partei als rassistisch bezeichnen, deren Vorsitzender vor einer „durchrassten Gesellschaft“ warnt? Dann fragen Sie einmal Ihre Kollegen von der CSU. Es war nämlich Herr Stoiber. So viel dazu, aber wir wollen uns nicht auf dieses Niveau begeben.
Meine Damen und Herren, warum haben wir das Thema angemeldet? Das ist nicht das, was Sie uns vorgeworfen haben: Haben die nichts Besseres zu tun? Nein, das Thema haben wir angemeldet…
(Zurufe)
Ja, komm. Leg einmal eine andere Platte auf, du bist langweilig.
(Beifall)
Wir haben das Thema angemeldet, weil es eines der wenigen kommunalpolitischen Themen ist, das die Leute anscheinend wirklich umtreibt, und das nicht nur innerhalb von Frankfurt, sondern es ist auch bundesweit durchaus zum Brenner geworden. Ich meine, es gibt hier Leute, die halten ihren Kopf in die Kamera der Hessenschau und wundern sich dann, dass dieses Thema hier besprochen wird. Das finde ich ein bisschen irritierend. Aber worum geht es eigentlich bei dem Thema? Wieder einmal segeln Sie konsequent am eigentlichen Knackpunkt vorbei. Ich will jetzt nichts mehr groß zu dem Wort „Mohr“ sagen, dazu ist alles gesagt worden. Frau Weber hat eigentlich recht, das Wort braucht man nicht mehr. Ich brauche es auch nicht. Aber ich sehe nicht ein, warum man hier sozusagen eine Art Damnatio memoriae durchführen und dieses Wort aus der Geschichte tilgen soll. Das gehört eigentlich nicht mehr zum aktiven Wortschatz. Ich glaube, unter 20-Jährige kennen es gar nicht mehr. Ich verstehe gar nicht, warum man hier so einen Bohei darum macht. Um das Wort selbst geht es auch gar nicht. Es geht um etwas ganz anderes. Ich glaube, es war Frau Ayyildiz, die gesagt hat: „Wenn ‚People of Color‘ sagen, das Wort ist rassistisch, dann ist es rassistisch.“ Genau darum geht es. Es geht um die Deutungshoheit über die Begriffe.
(Zurufe)
Ah, Sie benutzen „weiß“ als negativ, das ist rassistisch, würde ich sagen.
(Beifall)
Also, Sie sind ein übler Rassist. Entschuldigung, eine Rassistin. Das war auch noch sexistisch. Wenn das wirklich so wäre, wenn das wirklich das Kriterium ist, dann ist Kommunikation untereinander nicht mehr möglich. Wenn die persönliche Befindlichkeit das Kriterium ist, dann kann ich mit keinem von Ihnen mehr reden, weil ich gar nicht wissen kann, welches Wort Sie morgen vielleicht irgendwie dazu bringt, dass Sie sich diskriminiert fühlen. Morgen darf ich nicht mehr Frau Ayyildiz sagen, weil es heteronormativ ist, dann muss ich vielleicht sagen, Mensch mit Menstruationshintergrund. Ich weiß es nicht.
(Heiterkeit, Beifall, Zurufe)
Wunderbar, wenn Sie sich aufregen, habe ich alles richtig gemacht. Wie gesagt, so vorzugehen ist intellektuell etwas unterkomplex.
(Zurufe)
Wer schreit hat Unrecht, habe ich gelernt. Das ist intellektuell etwas unterkomplex. So ist Kommunikation nicht möglich. Das war in einem klugen Artikel von Reinhard Mohr, ausgerechnet in der Rundschau zu lesen, die nicht dafür bekannt ist, ein AfD‑nahes Blättchen zu sein, der genau auf diese Äußerung folgendermaßen reagierte: „Also Ende Gelände, Schluss der Debatte. Dann ist aber auch Schluss mit dem ‚herrschaftsfreien Diskurs‘ von Jürgen Habermas, Schluss mit Aufklärung, Pluralismus und Meinungsstreit. Dann definiert im Zweifel die jeweils einflussreichste, lautstärkste und professionellste Pressure-Group, was als unumstößliche Wahrheit zu gelten hat.“ Jetzt kommt es, hören Sie gut zu: „Man stelle sich vor, die rechte Bewegung der ‚Identitären‘ nähme dieselbe Logik für sich in Anspruch und dekretierte: ‚Wenn wir sagen, ein Wort ist unpatriotisch, dann ist das so‘.“ Sie öffnen hier die Büchse der Pandora, die Sie eventuell nicht mehr zukriegen. Das sollten Sie sich gut überlegen.
(Beifall)
Es geht hier auch gar nicht um das Wort „Mohr“ oder um eine tatsächliche oder vermeintliche Diskriminierung, es geht um etwas ganz anderes. Deswegen rede ich auch eigentlich nicht über den Antrag der KAV, sondern über die Reaktion der linken Parteien hier. Es geht schlicht und einfach um linkes Dominanzverhalten. Das ist das Entscheidende.
(Beifall, Heiterkeit)
Sprache ist ein Herrschaftsinstrument, das hat Herr Zieran richtig erkannt. Ihnen entgleitet der gesellschaftliche Diskurs. Ihre Reaktion ist aber nicht, in sich zu gehen und zu fragen, warum ist das so? Sondern Sie ziehen die ideologischen Daumenschrauben immer weiter an und erreichen – das ist das Entscheidende – genau das Gegenteil von dem, was Sie eigentlich wünschen. Das ist doch der Punkt.
(Beifall)
Bei Ihnen ist alles Rassismus und Diskriminierung. Wenn Sie argumentativ nicht weiterwissen, dann kommt Rassismus, Diskriminierung. Wie zum Beispiel heute in der Aktuellen Stunde. Ich war draußen eine rauchen und habe Frau Hahn gehört. Das Einzige, was bei mir hängen geblieben ist, ist Rassismus, Diskriminierung und Sexismus. Das sind die Worte, die ständig wiederholt wurden, an Argumentation ist da bei mir nichts hängen geblieben. Das muss ich einmal ganz ehrlich sagen. Wenn Ihnen etwas nicht passt, schreien Sie „Rassismus“ und „Diskriminierung“. Das ist das Totschlagargument, mit dem jede inhaltliche Diskussion abgewürgt wird. Interessant ist, dass dieselben, die über Jahrzehnte das Brechen von Tabus als etwas Ehrenwertes, etwas Tolles hingestellt haben, die sind, die heute die meisten Tabus wieder aufstellen.
(Beifall)
Meine Damen und Herren, vielleicht sollten Sie sich einmal wieder aus Ihren ideologischen Peergroups heraus bewegen und einmal mit ganz normalen Leuten reden, vor allem mit Leuten, die nicht Ihre politischen Ansichten teilen. Das ist manchmal ganz interessant. Da kommt mittlerweile der Standardsatz: Ach, das ist doch heute alles Rassismus. Der Punkt ist, wenn dieser Vorwurf kommt, lassen die Leute den Rollladen herunter. Das heißt, Sie erreichen sie mit dem Vorwurf überhaupt nicht mehr. Sie erreichen das genaue Gegenteil von dem, was Sie wollen. Ich weiß nicht, wie klassisch Sie gebildet sind, aber vielleicht kennen manche von Ihnen…
(Zurufe)
Das glaubst aber auch nur du.
… die Aesop-Fabel von dem Jungen, der immer „Wolf“ rief. Das ist die Geschichte von dem Hirtenjungen, der sich einen Spaß macht. Er hütet die Schafe des Dorfes und schreit, weil es ihm langweilig ist, ganz laut „die Wölfe kommen.“ Die Dorfbewohner kommen natürlich und stellen dann fest, es sind keine Wölfe da. Er hatte sie auf den Arm genommen. Das macht er noch zweimal, weil es so lustig ist, und beim vierten Mal kommen die Wölfe. Er schreit, „die Wölfe kommen“ und keiner reagiert mehr, nach dem Motto: ja, ja, kennen wir schon. Genau das erreichen Sie mit Ihrem ständigen Rassismus-Gefasel. Das ist schon eine Paranoia bei Ihnen. Alles ist Rassismus und Diskriminierung. Das ist wirklich mittlerweile nur noch affig. Vielleicht sollten Sie sich einmal ein Wort von Michael Klonovsky zu Gemüte führen und in einer stillen Sekunde darüber nachdenken: „Anscheinend ist keine Emanzipationsbewegung weise genug, um kurz vor dem Überspannen des Bogens innezuhalten.“ Genau das ist es, was Sie gerade tun. Sie überspannen den Bogen und wundern sich über die Reaktionen der Leute. Dass die zum Teil unterirdisch sind, dass die inakzeptabel sind, da bin ich vollkommen bei Ihnen.
(Zurufe)
Wissen Sie, wer uns wählt? Ich weiß es nicht. Sie werden überrascht sein, wie die berühmte Mitte der Gesellschaft mittlerweile tickt. Die Leute sind es leid. Deswegen auch die Diskussion in der Öffentlichkeit. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Thema, das hier besprochen werden soll, so in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Ich sitze im Bus und höre Leute über dieses Thema „Mohren‑Apotheke“ reden. Ich sitze in der S-Bahn und die Leute reden über „Mohren‑Apotheke“. Ich bin beim Kiosk, die Leute reden über „Mohren‑Apotheke“. Das ist tatsächlich ein Thema, das die Leute aus irgendwelchen Gründen umtreibt. Und warum treibt es sie um? Weil sie es langsam schlicht und einfach leid sind; ein Verbot nach dem anderen. Man schreibt ihnen vor, was sie essen sollen, was sie trinken sollen, was für ein Auto sie fahren sollen, was sie denken sollen und wie sie es auch noch sagen sollen. Es geht überhaupt nicht um diesen Begriff „Mohr“ oder sonst irgendeinen. Es geht um das Generelle, dass Sie hier versuchen, die Leute im Endeffekt wie kleine Kinder paternalistisch zu behandeln und ihnen sagen, wie sie etwas zu formulieren haben. Da muss ich ganz ehrlich sagen, die Diskussion gleitet manchmal auch ins Bizarre und Infantile ab. Jetzt musste ich heute hier und im Ausschuss hören, das war auch in der Zeitung zu lesen, manche kriegen das Wort „Mohr“ nicht einmal über die Lippen, da wird vom „M‑Wort“ gesprochen. Mit Verlaub, das ist eine Infantilisierung von Politik.
(Beifall)
Vor allem – Herr Bakakis, hören Sie ruhig zu – zeugt das nicht vom politischen, sondern vom magischen Denken. Oh, ich habe ein Wort, das darf nicht ausgesprochen werden. Wenn ich es ausspreche, passiert etwas Schreckliches. Da haben Sie vielleicht zu viel Harry Potter geschaut; der Mann, dessen Namen nicht erwähnt werden darf, Voldemort. Oder sollte ich sagen Voldemohr. Es ist mittlerweile schrecklich. Hören Sie auf, aus Deutschland ein kollektives Freiluftirrenhaus zu machen. Solange Sie das tun, werden wir jedes Mal diese Themen auch anmelden, es Ihnen unter die Nase halten. Unsere Aufgabe besteht darin, uns hier hinzustellen und laut auszurufen: Der Kaiser ist nackt!
(Beifall)