Rede des Stadtverordneten Markus Fuchs zur „Frankfurter Erklärung“ (Antrag NR 293 von GRÜNE, SPD, LINKE., FDP, Volt und FRAKTION : „Frankfurter Erklärung: Solidarität und Zusammenhalt in der Coronakrise – klare Kante gegen Rechts“)
Frau Vorsteherin,
meine Damen und Herren!
Zur sogenannten Frankfurter Erklärung, die heute hier verabschiedet werden soll, hat Kollege Pfeiffer bereits viel Richtiges gesagt, was ich nicht alles wiederholen muss, deswegen kann ich mich auch kurz fassen. Lassen Sie mich aber ein paar grundsätzliche Gedanken vorbringen, weil aus meiner Sicht die meisten hier vollkommen am eigentlichen Problem dieses Antrags vorbeigeredet haben.
Was ist der eigentliche Kern dieses Antrags? Letztlich handelt es sich um einen Aufruf an die Bürger dieser Stadt, nicht an den Demonstrationen gegen die staatlichen Coronamaßnahmen teilzunehmen. Begründet wird dies unter anderem damit, dass auf den Demonstrationen zu „antisemitischer Hetze, Holocaustleugnung und –verharmlosung“ gekommen sei. Das hätte ich gerne einmal nachgewiesen, vor allem in Frankfurt und nicht in Berlin, wie Frau Luxen das vorhin gemeint hat. Wir haben auch eine entscheidende Anfrage an den Magistrat dazu gestellt, da sind wir schon auf die Antworten gespannt. Ferner wird generell unterstellt, dass die Demonstranten Coronaleugner seien und an den Demonstrationen „Rechtsextreme, Rechte und Feinde unserer Verfassung“ teilnehmen würden. Nebenbei erspare ich uns das furchtbare unleserliche Gegendere dieses Antrags. Ich selbst war zwar bisher bei keiner dieser Demonstrationen dabei, kenne aber nicht wenige Personen, die daran teilgenommen haben. Deren Schilderungen sind interessanterweise gänzlich anders. Was ich so höre, ist, dass die vorherrschende Klientel bei diesen Demonstrationen eher dem bürgerlichen, ja linksliberalen oder öko- und linksalternativen Spektrum zuzuordnen ist. Das sind zum Teil Ihre ehemaligen Wähler.
(Beifall, Zurufe)
Wie viele sind das denn? Ich kann es nicht sagen, ich war nie da. Sie waren anscheinend da, ich nicht.
Wir haben den Magistrat gefragt, der kann uns eine Antwort dazu geben.
Allein, dass die Demonstrationsteilnehmer pauschal als Coronaleugner verunglimpft werden, ist schon einmal eine dreiste Lüge, zumindest eine dreiste Pauschalisierung. Ja, dass einige Demonstranten von „Coronadiktatur“ sprechen, halte ich auch nicht für richtig. Meine Wortwahl wäre das nicht, und man kann das durchaus zu Recht kritisieren. Aber in der politischen Auseinandersetzung kommt es nun einmal zu gewissen Übertreibungen, und das sieht man gerade hier immer wieder. Die, die am weitesten übertreiben, regen sich über Übertreibungen auf. Wie Menschen die Dinge wahrnehmen, ist halt auch sehr unterschiedlich. Vielleicht hängt das auch davon ab, was man sich unter einer funktionierenden Demokratie vorstellt. Allein dieser Antrag ist doch Wasser auf die Mühlen derer, die von „Coronadiktatur“ sprechen.
(Beifall)
Da erdreistet sich die politische Klasse dieser Stadt, Bürgern vorzuschreiben, an welchen Demonstrationen sie gefälligst nicht teilzunehmen haben. Merken Sie eigentlich noch irgendetwas?
(Beifall)
Ja, man mag nicht mögen, wofür oder wogegen eine Demonstration auf die Straße geht. Ja, man mag auch die Tonalität nicht mögen. Aber das gehört nun einmal zu einer lebendigen Demokratie. Wer da möglicherweise mitläuft, mag einem auch nicht gefallen. Aber deswegen von allen anderen zu verlangen, deswegen nicht mehr zu demonstrieren, ist schon hanebüchen. In Zukunft könnten wir dann nämlich auch sehr genau hinschauen, wer bei linken Demonstrationen so alles an Feinden unserer Verfassung mitläuft, und dann auch eine entsprechende Resolution fordern. Ich glaube, das würde für die linke Seite dieses Hauses nicht so gut aussehen.
(Beifall)
Wie war das noch einmal: System Change Not Climate Change? Das klingt nicht nach Verfassungskonformität. Was mich aber persönlich stört, ist, dass hier alles in einen Topf geworfen wird, „klare Kante gegen Rechts“ steht im Antrag. Da wird rechts und rechtsextrem praktisch gleichgesetzt. Der Kampf gegen rechts ist eben kein Kampf gegen Rechtsextremismus, sondern gegen alles, was rechts der linken Mitte steht.
Liebe Frau Busch, ich spreche Sie jetzt als Fraktionsvorsitzende an: Ich glaube, ich tue Ihnen kein Unrecht, wenn ich Sie als linke Politikerin bezeichne. Aber ich käme nie auf die Idee, Sie mit Mao, Stalin oder Pol Pot in einen Topf zu werfen oder Ihnen gar Ihre demokratische Gesinnung abzusprechen.
(Zurufe)
Es gibt einen eklatanten Unterschied zwischen links, linksradikal und linksextrem. Und genauso ist es ein elementarer Unterschied, ob man rechts, rechtsradikal oder rechtsextrem ist.
(Beifall)
Diese Differenzierung, die ich sehr wohl nach links vornehme, wünschte ich mir auch von Ihnen nach rechts.
Bei der Lektüre dieses Antrags habe ich auch den Eindruck, dass es um etwas ganz anderes geht, nämlich um die kulturelle Hegemonie im vorpolitischen Raum. Für gewöhnlich kommen größere Demonstrationsbewegungen ja eher aus dem linksorganisierten Spektrum. Und nun haben wir seit Jahren das erste Mal den Fall, dass hier eine Demonstrationsbewegung entstanden ist, auf der Sie nicht die Hand haben. Das schmeckt Ihnen natürlich nicht. Da erdreisten sich die Bürger tatsächlich einmal, dem vorherrschenden linken Narrativ zu widersprechen, und das geht natürlich gar nicht. Wird der Bürger unbequem, nennt man ihn halt rechtsextrem.
(Beifall)
Dass ausgerechnet die ach so liberale FDP einen solchen Antrag ausgerechnet zusammen mit der FRAKTION und der Linkspartei, formerly known as SED, einbringt, kommentiere ich besser einmal nicht. Dass die ausgemerkelte CDU dem zustimmt, kommentiere ich ebenfalls nicht näher.
Meine Damen und Herren, ich halte es generell für äußerst bedenklich, wenn Parlamente dem Souverän, das heißt den Bürgern Ratschläge erteilen wollen, an welchen Demonstrationen sie teilnehmen sollen und an welchen nicht, eine solche Erklärung kann jeder gerne für sich privat abgeben, aber ein förmlicher Beschluss der Stadtverordnetenversammlung ist eine politische Übergriffigkeit, die einer Volksvertretung schlicht nicht zusteht.
(Beifall)
Letztendlich, und das können Sie sich alle ins Stammbuch schreiben, gilt der Satz George Orwells: „Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ Ich füge hinzu: auch wenn es wehtut.
Vielen Dank!
(Beifall)