Rede des Stadtverordneten Markus Fuchs in der Aktuellen Stunde zu Frage 685 zur Einführung des 9-Euro-Tickets
Sehr geehrte Frau Vorsteherin,
meine Damen und Herren!
Erst einmal vielen Dank an Herrn Majer, der jetzt gerade nicht hier sitzt. Ich danke ihm trotzdem für seine Antwort, aber der Antwort kann man nur das bayerische Motto „Nix Gwiss woass ma ned“ entnehmen. Das kann man aber ausnahmsweise einmal nicht dem Magistrat vorwerfen. Es zeigt sich aber heute hier sehr schön, was passiert, wenn Politik, in diesem Fall die Koalition im Bund, den Bürgern wieder einmal in populistischer Manier eine vermeintliche Wohltat erweisen will.
Wenn man sich fragt, was das Ganze überhaupt soll, lohnt sich ein Blick auf die Webseite unserer geliebten Kanzlerpartei, der Bundes-SPD, dort steht wörtlich: „Mit dem 9‑Euro‑Ticket will die Bundesregierung die Pendlerinnen und Pendler von den hohen Spritkosten entlasten, Anreize zum Energiesparen setzen und die Nutzung des ÖPNV langfristig attraktiver machen.“ Worin aber nun die Entlastung des Bürgers besteht, wenn man ihm ein 9‑Euro‑Ticket „schenkt“, das er dann über die Steuern wieder selbst finanzieren muss, erschließt sich wohl nur den Koalitionären im Bund. Und wie ein Dreimonatsexperiment die Nutzung des ÖPNV langfristig attraktiver machen soll, bleibt auch im Dunkeln. Man zieht dem Bürger mit den hohen Steuern und Abgaben auf Energie das Geld aus der einen Tasche und gibt ihm dies in die andere Tasche als Almosen wieder zurück, bei dem gleichzeitig die Nahverkehrsbetriebe und die Kommunen im Regen stehen gelassen werden und ein riesiger bürokratischer Overhead produziert wird. Das ist wohl die hohe politische Kunst der rot-grün-gelben Bundespolitik.
(Beifall)
Auf die simple Idee, Steuern und Abgaben auf Energie zu senken, um die Bürger so zu entlasten, scheint in Berlin niemand zu kommen.
(Beifall)
Ein Gutes hat dieses finanzielle und organisatorische Großexperiment jedoch: Es wird sich zeigen, ob die Grundannahme stimmt, dass es nur die Kosten des Nahverkehrs sind, die die Menschen vom Umstieg auf den ÖPNV abhalten. Es gibt nämlich exakt zwei Möglichkeiten: Entweder der ÖPNV wird gerade im Berufsverkehr, um den geht es nämlich letztendlich tatsächlich, nicht überlastet, dann scheint aber auch kein gesteigertes Interesse an einem Umstieg auf Bus und Bahn zu bestehen, oder aber der ÖPNV wird überrannt und überlastet und es besteht folglich ein entsprechendes Interesse. Dann wird man aber auch schnell zu der Erkenntnis kommen, dass es eben nicht ausreicht, die Tickets zu verbilligen, wenn man die Kapazitäten nicht entsprechend erweitert. Wie das gerade im Rhein‑Main‑Gebiet zeitnah bewerkstelligt werden soll, erschließt sich mir nicht.
Kommt es zu einer Überlastung, dürfte das eher abschreckende Wirkung entfalten und Menschen längerfristig vom Umstieg abhalten. Wenn man tatsächlich die Attraktivität des ÖPNV steigern will, muss man dicke Bretter bohren und braucht einen langen Atem. Mit solch populistischen Hauruckaktionen richtet man mehr Schaden als Nutzen an. Wie so häufig gilt eben: Gut gemeint ist in der Regel das Gegenteil von gut gemacht. Das gilt nicht nur, aber ganz besonders für die Verkehrspolitik.
Vielen Dank!
(Beifall)